Olympia Ja oder Nein

    • Olympia hat die mörderischen Schlagzeilen der letzten Wochen vorübergehend in den Hintergrund gedrängt. Niemand wird leugnen, dass das strahlende Fest unter den fünf Ringen weltweit Milliarden Zuschauer vor Fernsehschirmen versammelt, die sicher sein dürfen statt des Schocks eines vom Himmel geschossenen Passagierflugzeugs, friedfertige und stimmungsvolle Stunden zu erleben. Was hierzulande zudem die Stimmung in den Himmel trieb, war die Stadt, in der das Fest gefeiert werden soll: Berlin!

Die Suche nach den Flugzeugtoten schien tatsächlich fast vergessen, als der Streit „Olympia ja“ oder „Olympia nein“ losbrach und zwar nicht an Stammtischen, sondern an Parlamentspulten und vor Talkshow-Kameras. Vor allem die Frage der zu erwartenden und zu befürchtenden Kosten schien die Gemüter über die Maßen zu ereifern. Das trieb den Autor dazu, mit einem einzigen der sieben Grundparagraphen der Olympischen Charta daran zu erinnern, dass es letztlich weniger um kostspielige Hallen als um das „Ziel des Olympismus“ geht, das nach Charta-Paragraph 2 fordert, „den Sport in den Dienst der harmonischen Entwicklung der Menschheit zu stellen, um eine friedliche Gesellschaft zu fördern, die der Wahrung der Menschenwürde verpflichtet ist.“ Verheißungsvolle Forderungen, die viele noch leidenschaftlicher begrüßen dürften, als Rekorde und Medaillen. Paragraph 1 versichert noch deutlicher: „Der Olympismus ist eine Lebensphilosophie, die die Eigenschaften von Körper, Wille und Geist miteinander vereint.“

Wenn keiner der sich in den letzten Tagen so echauffierenden Leitartikler und Bürgermeister die Olympische Charta überhaupt erwähnte, sondern vor allem die Kostenfrage stellte, verriet das im Grunde nur, wohin Olympia in den letzten Jahrzehnten geraten ist. Die „Berliner Zeitung“ (8.8.2014) widmete fast eine ganze Seite dem Thema und finanzierte sogar eine Umfrage unter 1003 Berlinern, denen 13 Fragen gestellt worden waren. Es war keine darunter, die dem schon erwähnten Ur-Anliegen der Spiele gewidmet war. Die erste und demzufolge wichtigste Frage lautete, ob Berlin sich bewerben soll oder nicht: 52 Prozent waren dafür, 48 Prozent dagegen. Fast also ein 0:0!

Die Umfrager stellten auch die Frage, ob der zu erwartende Aufwand finanziell größer sein dürfte, als der Nutzen. 53 Prozent meinten, dass mit einem Minus zu rechnen sei und nur 38 Prozent hofften auf Gewinn. Der wohl entscheidende Satz des Begleit-Kommentars lautete: „Eine klare Meinung haben die Berliner offenbar zur Frage, ob sich Olympische Spiele wirtschaftlich für die Stadt lohnen würden. Nur 38 Prozent der Befragten glauben an einen finanziellen Nutzen.“

Spätestens hier wäre mit Nachdruck einzuwenden, dass sich der in der Charta erwähnte hohe idelle Wert der Spiele weder in Dollar noch in Euro zu beziffern ist. Da jedoch fast alle in Berlin an Wahlen beteiligten Parteien an vorrangiger Stelle ihrer Programme das Streben nach Frieden als Ziel deklariert haben, darf man sich wundern, dass kaum einer der sich zu Wort Meldenden, den Nutzen der Spiele für die Bemühungen um den Frieden erwähnten. Was auch fast alle die Bewerbung Kommentierenden unterschlugen, war die Tatsache, dass sich das 1894 von Coubertin gegründete Olympische Komitee neun Jahrzehnte selbst finanzierte, bis 1984 die US-amerikanlschen Manager, der Spiele in Los Angeles dem Organisationskomitee Konzernstrukturen aufoktroyierten und das IOC es hinnahmen. Das einstige fünf-Zimmer-Unternehmen in der Villa „Mon Repos“ zog in einen mehrstöckigen Neubau und fortan musste auch kein IOC-Mitglied mehr seine Übernachtung selber bezahlen. Als die Fernsehkonzerne der Welt dem IOC Gebühren entrichten mussten, überschritten dessen Einnahmen die Milliardengrenzen und die Fernsehmanager begannen das olympische Programm nach den Quoten zu gestalten. Erst als man das Ringen – weil zu „langweilig“ - streichen wollte und deswegen sogar Putin protestieren ließ, begann man behutsamer zu operieren. Längst hatten auch die Sportartikelkonzerne die fünf Ringe als satte Einnahmequelle entdeckt – und als eines ihrer Alibis die Invalidenspiele installiert. Wer den heutigen Präsidenten des IOC nach seinem ersten Job fragen sollte, würde erfahren, dass seine Laufbahn bei einem der Sportschuhriesen begann. Andere IOC-Mitglieder strömten zu deren Konkurrenten. Das IOC wurde zur Fünf-Ringe-Aktiengesellschaft.

Das wäre ein mehr als triftiger Grund gegen das „moderne“ Olympia zu votieren und für die Prinzipien der Charta zu demonstrieren. Auch in Berlin.

Übrigens lautete eine der Umfragen: „Erschwert die Erinnerung an die Olympischen Spiele 1936 eine mögliche Olympiabewerbung Berlins?“ Die Antwort könnte lauten: „Jeder Missbrauch Olympias, ob politisch oder kommerziell sollte vereitelt werden!“ Ebenfalls auch in Berlin!      

 
Verein Sport und Gesellschaft e.V. @ 2014