„Nicht mal die Fakten stimmen"

BDR spricht seinen umstrittenen Sportchef Bremer per Gutachten frei - die Politik zürnt

München - Ein Papier macht Furore, allerdings anders, als es sich die Auftraggeber gewünscht haben. Das vom Bund Deutscher Radfahrer (BDR) veranlasste ­und laut Dagmar Freitag, der Chefin ­Bundestag-Sportausschusses, „mit Spannung erwartete" Rechtsgutachten in der Causa um angebliche Dopingvertuschungen und die Rolle des BDR-Leistungssportdirektors Burckhard Bremer liegt intern vor - und wird nun von vielen Be­teiligten scharf kritisiert. Gefertigt wurde die vorab als „unabhängig" betitelte Expertise von einem Strafrechtler, des­sen Bruder beim BDR festangestellt ist: Im Referat Leistungssport. Das Papier soll dem BDR den Anlass liefern, gegen Bremer kein Verfahren einzuleiten. Wes­halb sich Dagmar Freitag in punkto un­abhängiges Gutachten „in die Irre ge­führt" wähnt. Dass der BDR auf der so ge­schaffenen Basis nichts gegen Bremer un­ternehmen wolle, sei logisch: „Aber das ist die erwartbare verbandsinterne Ent­scheidung. Die endgültige Bewertung, ob zuwendungsrechtliche Vergehen vor­liegen, trifft das Innenministerum."

Die Irritation ist groß hinter den Kulis­sen. Der Gutachter selbst verweist zwar auf seine brüderliche Bande zum BDR; auch habe er dem Verband seine Bereit­schaft zur „ehrenamtlichen Mitarbeit" in dessen Bundesrechtsausschuss bekun­det. Trotzdem sieht der Passauer Universitätsjurist „keine Interessenkon­flikte". Weil das Papier, das der SZ vor­liegt, in teils scharfer Diktion den um­strittenen Bremer rundweg von jeder Ver­fehlung freispricht, rumort es nun - für Zündstoff bei der Sportausschuss-Sit­zung ist gesorgt, Mittwoch in Berlin.

Der BDR will die Rückzahlung von Bundesmitteln verhindern. Das Innenmi­nisterium prüft etwaige„ rechtliche Kon­sequenzen aus dem Verhalten von Herrn Bremer", teilte es im Herbst mit. (...) Dass auch andere Gerichte Bremers Klagen zurückwiesen und ihn als Doping­vertuscher einschätzen, wischt der BDR-­Gutachter ebenso beiseite. Das Berliner Kammergericht gab in letzter Instanz dem Grünen-Politiker Winfried Her­mann Recht, der Bremer als belasteten Funktionär „aus den heißen Zeiten des Dopings" bezeichnet hatte. Die Richter stellten hierbei fest, Bremer habe „mitge­wirkt, den Dopingfall Lademann zu ver­

tuschen". 2004 hatte der BDR-Sportchef Bremer auffällige Blutwerte des Bahn­fahrers gegenüber der früheren BDR-Prä­sidentin Sylvia Schenk verschwiegen. Schenk, Juristin, Sportbeauftragte der Anti-Korruptionsorganisation Trans­parency und gleichfalls von Bremer ver­klagt, sagt zu dem Gutachten: „Nicht mal die Fakten sind richtig dargestellt."

(...) „Peinlich", sagt SPD-Politiker Peter Danckert, selbst Jurist und in einen Rechtsstreit mit Bremer involviert (...) Für den BDR steht das Ergebnis des 30-seitigen Dossiers dagegen schon fest: Es gebe keinen Grund, gegen Bremer vor­zugehen, „weder disziplinar- noch ar­beitsrechtlich".

Süddeutsche Zeitung; 15.1.2011, Thomas Kistner / Andreas Burkert

 

 
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