Bayerische Charmeoffensive

Luxushotel, Polizeieskorte, Hilfe von Merkel: Wie die Bewerber um die olympischen Winterspiele 2018 das IOC und seine Inspektoren umgarnt

Ob es ein Überbleibsel des vergangenen Oktoberfes­tes war oder frisch gefer­tigt, ist nicht bekannt. Aber ein Herz aus Lebku­chen mit der Aufschrift „Welcome to Mu­nich" durfte auf dem Rollfeld des Flugha­fens Franz Josef Strauß nicht fehlen, als Gunilla Lindberg (63) einer Maschine entstieg und Sonntagabend beinahe wie ein Staatsgast empfangen wurde.

Mit ihrer insgesamt 14-köpfigen Evalu­ierungskommission aus dem Internatio­nalen Olympischen Komitee (IOC) macht sich die vorsitzende Schwedin Lindberg bis Freitag daran, Münchens „Bid Bock" genanntes Bewerbungsbuch für die Winterspiele 2018 vor Ort auf die Fakten hin zu überprüfen. Es ist einer der wichtigsten Termine für die Bewer­bungsgesellschaft um die Kuratoriums­vorsitzende Katarina Witt („Der Druck ist groß") vor der Vergabe des milliarden­schweren Geschäfts Olympia auf der nächsten IOC-Session Anfang Juli. (...)

Um die IOC-Kommission in dieser Woche nachhaltig zu bezirzen, haben die Münchner nicht nur ein straffes Reiseprogramm aufgestellt, ein Luxushotel gebucht und Polizeieskor­ten sichergestellt. Sie wer­den auch Experten ein­bestellen, die den IOCIern Detailfragen beantworten - und in Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) oder Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) Po­litprominenz auffahren, auf dass das Bild entstehen möge, „dass unsere Bewer­bung die uneingeschränkte Unterstützung auf allen politischen Ebe­nen genießt und wirklich eine nationale Angelegenheit darstellt", wie Schwank sagt. Die Strategie der Münchner ist of­fensichtlich: Pyeongchangs finanziell po­tenter, Profit verheißender Versprechung „Neue Horizonte" setzen sie ein Zurück­zu-den-Wurzeln mit Wohlfühlgarantie entgegen. (...) Ohnehin lehrt die Vergangenheit, dass exzellente Beurteilungen von Inspekto­ren Optimismus vor Ort nur bedingt for­cieren dürfen. Sonst hätte 2007 nicht Sotschi, sondern das klar besser benotete Salzburg den Zuschlag für die Winter­spiele 2014 bekommen müssen, und 2009 nicht Rio de Janeiro jenen für die Som­merspiele 2016 - die Evaluierungskom­missionen waren nicht mehr als Feigen­blätter. Dass mit den Bewerbern hinter verschlossenen Türen diskutiert und Er­gebnisse nicht umfassend kommuniziert werden, zeugt von chronischer Intrans­parenz. Dabei wird Olympia mit Steuer­geldern in Milliardenhöhe subventio­niert. Die Münchner etwa kalkulieren mit rund 2,9 Milliarden Euro als Gesamtkos­ten für olympische und paralympische Winterspiele 2018, davon rund 1,6 Milliar­den als Investition in Infrastruktur.

Mit Blick auf den Besuch der IOC-In­spektoren predigte Thomas Bach ges­tern: „Olympia lebt nicht nur von Tech­nik, sondern von der Seele." (...) In Garmisch-Partenkirchen und Umgebung haben die umtriebigen Olympiagegner des Netzwerks „NOlympia" erst vorigen Dienstag ein Bürgerbegehren auf den Weg gebracht („Gegen den Ausverkauf unserer Heimat!"). Mithilfe dessen wol­len sie die Rechtmäßigkeit der Verträge mit dem IOC nachträglich überprüfen lassen. (...) Ihre Argumente haben Gewicht. Das Bürgerbegehren könnte die Bewerbung wenn auch nicht stoppen, so doch emp­findlich stören. Und es könnte letztlich in ein juristisches Hickhack münden, das im IOC als negatives Signal empfunden werden könnte: München als Risiko für die Herren der Ringe und ihren Dukaten­esel namens Olympia. Die Wahl wäre in dem Fall schon vor dem 6. Juli verloren.

Die Welt; 1.3.2011, Jens Hungermann

 

 
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